nachgeschärfte Scheibenbeile

Begonnen von Steinkopf, 16. Oktober 2015, 11:26:04

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Steinkopf

Hallo,

Scheibenbeile waren das gängige Erfolgsmodell der Erteböllezeit - sicherlich auch durch
die Siedlung am Wasser mit Holzbearbeitung und Bootsbau bedingt.

Wenn die Schneide verbraucht oder zerstört war, wurde diese mit einem gekonnt gesetzten
Abschlag erneuert,  wie es bei den beiden Exemplaren rechts im Bild gelang.

Die abgebildeten Stücke sind gleicher Bauart und in ihrer 'Jugend' sicherlich alle lang
und schlank gewesen.

Das rechte Exemplar ist schon recht kurz geworden und nähert sich dem Ende seiner Nutzung.
Nicht bei allen Versuchen klappte es mit einer funktionsfähigen Schneide, wie zahlreiche Funde
von den Siedlungsplätzen zeigen.

Es reizte mich, diese drei Grazien einmal als Fotogeschichte zu zeigen.

LG

Jan



StoneMan

Moin Jan,

wunderbare Vergleichsstücke, hervorragender und sehr anschaulicher Unterricht
den Du wieder einmal mehr hier leistest  :super:

Danke  :Danke2:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

steinwanderer

Moin Jan,
sind das nicht eher Kernbeile? Bei Scheibenbeilen liegt doch die Grundform eines Abschlags vor und die ist hier nicht zu sehen. An der Nackenpartie meine ich zu erkennen das die Beile aus schmalen Knollen herausgearbeitet wurden somit Kernbeile sind.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

Steinkopf

#3
Hallo Klaus,

wenn Scheibenbeile allzu sorgfältig fein überarbeitet sind, kann der Eindruck des Kernbeiles entstehen.
Das lange Exemplar ist untypisch fein mit Retuschen sogar im Nacken gearbeitet.

Deshalb versuche ich mal mit neuen Fotos den Charakter des Scheibenbeils bei diesem Stück deutlich zu machen.

Die Grundform ist ein hinreichend großer Abschlag.
Der Schlagpunkt dieser Grundform ist beim Beil später entfernt. Er liegt aber irgendwo seitlich.
Die Ventralseite des Abschlages ist zumeist gekrümmt (konvex) und bildet den Rücken des Beiles.

Mit zwei Bildern versuche ich, die Wallnerlinien des Abschlages zu zeigen.
Dies ist ein sehr helles Objekt aber man müsste sie erkennen können.

In der Übersichtsaufnahme hab ich eine kleine Gruppe solcher Scheibenbeile mit den glatten (Rück-)Seiten angeordnet.

Danach werden die Seiten geformt - Die Scheibe wird für die Beil-Kanten abgearbeitet (Bild 'Kantenbearbeitung').

Der letzte Schritt: Das Beil wird dünn / flach gearbeitet. Dies ist in dem ersten Ausgangsfoto zu erkennen.

Eigentlich sollte die Grundform der geschlagenen Scheibe zu erkennen sein.
Bei PVP werden auch Scheibenbeile aus Frostscherben erwähnt.

In der Hoffnung, alle Klarheiten beseitigt zu haben  -

schönen Gruß und danke fürs genaue Hinschauen!

Jan


Furchenhäschen

ein Klassethread, sehr interessant,

auch für einen Oberbayern, der derartige Beile wohl niemals finden wird können!

Ich habe den Hahn bemüht und musste feststellen, ein komplexes Thema.

:winke:

Steinkopf


steinwanderer

OK Jan,
du hast mich überzeugt. Das sind wahrlich Preziosen.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

Steinkopf

Hallo Klaus!

Zitat: "Das sind wahrlich Preziosen."

Das von Dir zu hören, geht runter wie Honig!

LG

Jan

RockandRole

Hallo  :winke:

Lerne gerade eine Menge dazu, auch wenn in Nordbayern die Chancen etwas zu finden wohl auch gegen 0 gehen.

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Sprotte

Zitat von: steinwanderer in 16. Oktober 2015, 19:21:34
sind das nicht eher Kernbeile? Bei Scheibenbeilen liegt doch die Grundform eines Abschlags vor und die ist hier nicht zu sehen. An der Nackenpartie meine ich zu erkennen das die Beile aus schmalen Knollen herausgearbeitet wurden somit Kernbeile sind.

Hallo,

die Frage ist ja eigentlich bereits ausführlich beantwortet worden. Deshalb hier nur als Nachtrag, dass trapezoide Scheibenbeile mit flächenretuschierter "Oberseite" geradezu typisch für die Erteböllezeit sind. Scheibenbeile gibt es auch noch in der neolithischen Trichterbecherkultur - allerdings sind diese Beile weitaus einfacher gestaltet. Obwohl die Schneidengestaltung bei den allermeisten Scheibenbeilen - wie auch hier gezeigt - durch einen einzelnen Abschlag erfolgte, gab es auch Scheibenbeile (besonders im ausgehenden Mesolitikum) mit spezialisierten Schneiden.

Viele Grüße
Sprotte

Steinkopf

Hallo,   

zur Anmerkung von Sprotte scheint es mir sinnvoll, den Ausdruck 'spezielle Schneide' zu illustrieren.

Der Terminus in der dänischen Terminologie lautet 'specialiseret  æg'  (diese dänische 'æg' finden wir im englischen 'edge' wieder).

Bei den von mir angehängten Fotos sind es allerdings Kernbeile - keine Scheibenbeile.

Diese feine Bearbeitung der Schneide ist manchmal nur einseitig so ausgeprägt.
Bei beidseitiger feiner Bearbeitung ist schon der Übergang zu den fertig retuschierten und noch zu polierenden Beilen erkennbar.

LG

Jan

thovalo


Sehr gute Bilder! Die hält auch die Farbwerte gut ein!       :super:
Welche Kamera verwendest Du?

Am Niederrhein und in den Niederlanden gibt es sogenannte "afslagbijltje" kleinformatige Abschlagbeilklingen die Deinen Beispielen nahe kommen. Davon hatte ich einige Belegstücke die jetzt dem LVR übertragen sind. Sobald mal wieder eine auftauchen sollte stelle ich sie hier mit ein!

Dir lG und Danke für die sehr eindrucksollen Beispiele des Nordens!



Thomas    :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Moin,

Feuersteinartefakte fotografiere ich äußerst minimalistisch:

Schreibtischlampe mit 7,5 W LED - früher 40 Watt Glühbirne und Streiflicht!

Dazu fummel ich an der Stellung des Artefakts bzw. der Lampe so lange herum,
bis die charakteristischen Riefen, Muster etc. schön sichtbar werden. Das ist die meiste Arbeit.
Manchmal kommt noch eine zweite Lichtquelle dazu.

Hintergrund zumeist schwarzer Baumwoll-Samt (der dicke Stoff, der sich nicht wellt) oder dunkler Schaumstoff.

Alles andere macht die NIKON coolpix p7000,
die mir mal von einem freundlichen Foren-Kollegen empfohlen wurde!   ; )

LG

Jan

teabone

Hallo Jan,

die Fotos sind wirklich wunderbar plastisch!

LG Augustin
Such- und Fundgebiet: Weinviertel, Nö.

Kelten111

Wirklich ein tolles Thema und schöne Stücke .

Mfg  :winke: :super:

thovalo

Zitat von: Steinkopf in 20. Oktober 2015, 09:19:08
Moin,

Feuersteinartefakte fotografiere ich äußerst minimalistisch:

Schreibtischlampe mit 7,5 W LED - früher 40 Watt Glühbirne und Streiflicht!

Dazu fummel ich an der Stellung des Artefakts bzw. der Lampe so lange herum,
bis die charakteristischen Riefen, Muster etc. schön sichtbar werden. Das ist die meiste Arbeit.
Manchmal kommt noch eine zweite Lichtquelle dazu.

Hintergrund zumeist schwarzer Baumwoll-Samt (der dicke Stoff, der sich nicht wellt) oder dunkler Schaumstoff.

Alles andere macht die NIKON coolpix p7000,
die mir mal von einem freundlichen Foren-Kollegen empfohlen wurde!   ; )

LG

Jan



DAS war mal ne gute Empfehlung ... :-D

... ich habe, nachdem ich diese Kamera "abgeschossen" hatte, mir jetzt die Weiterentwicklung angeschaft. Die kommt mit Kunstlicht ÜBERHAUPT nicht klar.

Da hätte ich bei der alt bewährten bleiben sollen!


Danke für die Antwort!   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Sprotte

Zitat von: Steinkopf in 19. Oktober 2015, 21:07:23
zur Anmerkung von Sprotte scheint es mir sinnvoll, den Ausdruck 'spezielle Schneide' zu illustrieren.

Bei beidseitiger feiner Bearbeitung ist schon der Übergang zu den fertig retuschierten und noch zu polierenden Beilen erkennbar.

Hallo Jan,

ja, eine wahrlich eindrucksvolle Illustration. Neuere C14-Datierungen in Mecklenburg zeigen, dass zwischen den letzten mesolithischen Stationen/Siedlungen der Ertebölle-Kultur und den ersten Stationen/Siedlungen der frühen Trichterbecherkultur nur ca. 100 Jahre lagen (hier muss man natürlich die Unsicherheit der Methode und die Tatsache, dass die "Neolithisierung" ein dynamischer Prozess war, mit einbeziehen). Es war wohl eher so, dass die letzten Mesolithiker" zugleich die ersten "Neolithiker" im Norden waren. Dafür spricht auch die Kontinuität in den Flintgeräten: (1) der Übergang von den beiseitig mit spezialsierter Schneide versehenden Kernbeilen zu den spitznackigen allseits geschliffenen Flintbeilen (vgl. Nr. 146 und Nr. 153 in P. V. Persensen: Glint fra Danmarks oldtid) und (2) das Weiterleben der Scheibenbeile.

Viele Grüße
Sprotte

PS: Wo liegt der ungefähre Fundort der schönen Stücke?